Es ist eine merkwürdige, beinahe surreale Erfahrung, sich von der halbjährlichen Nachsorge-Routine verabschieden zu müssen. Seit Jahren war sie mein ständiger Begleiter, eine Mischung aus Belastung und Erleichterung. Alle sechs Monate das Warten auf die „Negativ-Bestätigung“ – das erlösende Wort, dass alles in Ordnung ist, dass der Krebs nicht zurückgekehrt ist. Doch nun, da ich offiziell geheilt bin, stehe ich vor einer ganz neuen Herausforderung.
Das Lymphom wurde spät entdeckt, als es bereits bedrohlich nahe an einem tödlichen Ausgang war. Diese Erfahrung hat tiefe Spuren hinterlassen. Seitdem hat jedes Zwicken, jedes Ziehen, jedes Grummeln in meinem Körper mein Gedankenkarussell in Gang gesetzt. Ein kleines Stechen und die Alarmglocken schrillen laut. Ist es zurück? Habe ich etwas übersehen?
Nun, da ich offiziell geheilt bin und die Chancen gut stehen, diesen Krebs endgültig besiegt zu haben, sollte ich eigentlich erleichtert sein. Doch der normale Wahnsinn des Alltags hat mich längst wieder im Griff und es ist nicht leicht, den alten Sorgen zu entkommen. Die regelmäßigen Kontrollen gaben mir ein Gefühl der Sicherheit und diese Routine, die so lange mein Leben begleitet hat, fehlt mir nun.
Jetzt gilt es, eine neue Art der Achtsamkeit zu entwickeln. Eine, die nicht von Angst getrieben ist, sondern von einem tiefen Vertrauen in den eigenen Körper und die eigene Wahrnehmung. Es ist ein Balanceakt, den Glauben gesund zu bleiben in sich zu tragen und das Gedankenkarussell zu stoppen, bevor es an Fahrt gewinnt.
Ich versuche, die kleinen Zeichen meines Körpers nicht mehr als drohendes Unheil zu interpretieren, sondern als normale Reaktionen auf das Leben. Es ist eine Übung in Geduld und Selbstvertrauen, in der ich mich immer wieder daran erinnere, dass ich stärker bin, als ich glaube, und dass jeder Tag ein Geschenk ist.
Diese neue Freiheit von der Nachsorge-Routine soll keine Last sein, sondern eine Einladung, das Leben zu genießen. Es ist die Chance, nach vorne zu blicken und die Vergangenheit hinter sich zu lassen, ohne die Narben zu vergessen, die mich zu dem gemacht haben, der ich heute bin.
So gehe ich weiter, Schritt für Schritt, immer mit dem Wissen, dass ich diese Herausforderung meistern kann – genauso wie ich es bereits mit dem Lymphom getan habe.
Zwischen Unsicherheit und Gelassenheit liegt die Chance, das Leben neu zu entdecken und sich selbst immer wieder daran zu erinnern, wie weit man gekommen ist.
PS: Das Bild entstand während meiner ersten Reha nach der Chemotherapie. Ein Sonnenaufgang der den Übergang und den Beginn eines neuen Kapitels im Leben symbolisiert.