Meerjungfrau geküsst

„Arielle“ ist die Show am heutigen Abend und wird während dem Ablegen des Kreuzfahrtschiffes am Pooldeck aufgeführt. Immer noch etwas enttäuscht von dem belanglosen Wiedersehen mit Marco, versuche ich mich in der kurzen Stellprobe im Theater auf meine Choreografie zu konzentrieren. Schließlich gibt es in meiner Rolle als Arielle noch Hebungen im Pas des deux, bei denen ich mich nicht ganz sicher fühle. 

Kurz vor Showbeginn laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Über das Crew-Treppenhaus gelangt das Ensemble auf die Startposition. Das Licht auf dem Außendeck wird gedämpft und die Nebelmaschinen angeschmissen. Eine erwartungsvolle Atmosphäre erfüllt die Luft, als das Schiff sich langsam von der Pier wegbewegt. Hochkonzentriert stehe ich mit meinen beiden Tanzpartnern in der dunklen Seitengasse. Dann ist es so weit: die ersten Klänge der Musik erfüllen das Pooldeck, „Spot on“ und schon werde ich auf den Schultern von zwei Seepferdchen die großen Stufen durch den leichten Nebel hinuntergetragen. Während ich meinen Rücken im Cambré gebeugt die Arme zur Musik bewege, kommen wir in der Nähe der Regie vorbei und da steht er – Marco. Unsere Blicke treffen sich und mein Puls geht schlagartig noch schneller. Ich nehme all meinen Mut zusammen, zwinkere ihm zu und wir lächeln uns an. Da ist es “dieses Kribbeln im Bauch, das du niemals vergisst.“  

Die tiefen Blicke, kleinen Berührungen und die Suche nach der Nähe des anderen lassen mich die darauffolgenden Tage auf Wolke 7 schweben. Während der nächsten großen Motto Party an Deck schleichen Marco und ich nach der Show davon und setzen uns ganz vorne, am Buck des Schiffes, auf eine Bank. Nur wir zwei sind hier und schauen in das unendliche Sternenmeer des karibischen Himmels, als Marco mich vorsichtig zu sich heranzieht und mich in seine starken Arme nimmt. Dann berühren seine Lippen zärtlich meine. Mein Körper bebt, ich lasse mich fallen und beinahe schwindelig vor Glück spüre ich – ich bin angekommen.

Ein Gedanke zu “Meerjungfrau geküsst”

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Pollis Kurzgeschichten

Last call!

„Dafür bist du doch zu klein.“„Deine Beine sind zu kurz.“„Deine Hüftknochen sind dafür nicht geeignet UND bist du nicht viel zu alt dafür?!“ Als Jugendliche hatte ich einfache nicht das Selbstvertrauen und den Mut es trotzdem zu versuchen. „Besser spät als nie“, wage ich kurz vor meinem 21. Geburtstag, an der Aufnahmeprüfung der Berufsfachschule für […]

Read More