Eine Erinnerung aus der Kindheit: Vor Kurzem erinnerte mich Facebook an dieses alte Foto von meiner Zwillingsschwester und mir. Ein Bild, das auf den ersten Blick eine glückliche Kindheit zeigt. Doch so gerne ich auch sagen würde: „Was für eine schöne Erinnerung“, ist das leider nicht die ganze Wahrheit. Dieses Bild trügt, denn hinter den lächelnden Gesichtern verbargen sich oft Momente der Not durch die Überforderung unseren Eltern
Überforderung damals und heute
Das Foto stammt aus einer Zeit, die nun etwa 45 Jahre zurückliegt. Damals war das Leben anders, die Welt erschien kleiner und langsamer. Doch eines war schon damals präsent: die Überforderung. Unsere Eltern standen oft an ihren Grenzen, und wir mittendrin. Doch wer hat damals darüber gesprochen? Eher niemand. Es gibt immer gute Tage und schlechte Tage, und während manche es schafften, an den schlechten Tagen zu wachsen, drohen andere daran zu zerbrechen.
Heute hat sich viel verändert – in unserem Alltag wird alles stetig größer, schneller und weiter. Und mit ihm auch die Herausforderungen, denen Eltern täglich begegnen. In einem Artikel des Standard wird deutlich, dass die Überforderung bei Eltern heute stark zugenommen hat. Doch trotz all dieser Veränderungen bleibt eines erstaunlich konstant: die Stille, die das Thema Überforderung umgibt.
Wie Überforderung aussehen kann
Überforderung in Familien kann viele Gesichter haben. Oft äußert sie sich in Form von verbaler Gewalt, sei es zwischen den Elternteilen oder gegenüber den Kindern. Ein harsches Wort, ein lauter Ton – was in Momenten der Überforderung passiert, kann tiefe Spuren hinterlassen. Auch emotionale Vernachlässigung ist eine häufige Folge. Eltern, die selbst am Rande ihrer Kräfte stehen, finden oft nicht die Energie, sich liebevoll und aufmerksam um ihre Kinder zu kümmern. Diese Kinder wachsen in einem Umfeld auf, in dem sie sich vielleicht ungewollt oder unsichtbar fühlen.
In extremen Fällen kann Überforderung auch zu körperlicher Gewalt führen. Aber selbst, wenn es nie zu einem Schlag kommt, können die emotionalen Wunden, die durch ständige Spannungen und das Gefühl der Überforderung entstehen, schwerwiegende Folgen haben. Kinder in solchen Situationen entwickeln häufig Angststörungen, Depressionen oder ein niedriges Selbstwertgefühl. Sie lernen, dass sie keine Bedeutung haben, weil ihre Bedürfnisse immer hinter denen der überforderten Eltern zurückstehen.
Das Bild aufrechterhalten – um welchen Preis?
Warum sprechen wir nicht darüber? Warum ist es uns so wichtig, das Bild einer perfekten Familie aufrechtzuerhalten? Die Antwort ist simpel und erschreckend zugleich: Wir haben Angst, verletzlich zu wirken. In einer Gesellschaft, die Perfektion und Stärke als Maßstab setzt, scheint das Eingestehen von Überforderung wie ein Zeichen von Schwäche. Doch genau das ist der Punkt, den wir überdenken sollten.
Die Realität akzeptieren und Mut zur Offenheit haben
Die Wahrheit ist: Wir sind nicht allein. Überforderung in Familien ist kein Einzelfall, sondern ein weit verbreitetes Phänomen. Es ist an der Zeit, den Mut aufzubringen, darüber zu sprechen. Denn nur durch Offenheit können wir ein unterstützendes Netzwerk schaffen, in dem sich Eltern gegenseitig stärken, statt sich im Vergleich mit anderen weiter unter Druck zu setzen.
Es ist wichtig, dass wir erkennen, welche Auswirkungen Überforderung auf unsere Kinder haben kann. Diese Wunden heilen nicht von alleine, sondern begleiten sie oft ein Leben lang. Indem wir ehrlich über unsere eigenen Grenzen sprechen, können wir verhindern, dass unsere Kinder den Preis für unsere Überforderung zahlen müssen.
Fazit: Mehr Gespräche, weniger Perfektionismus
Es ist Zeit, dass wir uns von dem Druck befreien, nach außen hin perfekt wirken zu müssen. Es ist okay, zuzugeben, dass das Leben manchmal überwältigend ist. Indem wir darüber sprechen, nehmen wir nicht nur uns selbst einen Teil dieser Last ab, sondern ermutigen auch andere, das Gleiche zu tun. Denn nur so können wir eine Gemeinschaft schaffen, die füreinander da ist – auch in den schwierigen Zeiten.